In den meisten Kulturen und Religionen spielt der Wind eine bedeutende Rolle, oft im Zusammenhang mit der Schöpfung. Schon der erste Satz des Alten Testaments enthält den Begriff „rûah“, das hebräische Wort für Wind und Atem, das auch „Geist“ bedeutet: „Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist (rûah) schwebte über den Wassern.“
In der griechischen Mythologie verkörperten die Windgötter Anemoi – die Söhne des Astraios, des Gottes der Abenddämmerung, und Eos, Göttin der Morgenröte – die vier Hauptwinde:
Die Windgötter werden als geflügelte Menschen unterschiedlichen Alters dargestellt, beispielsweise in den Reliefs des Turms der Winde in Athen. In der Mythologie erscheinen sie aber nicht nur als Menschen, sondern auch als göttliche Pferde, die als Quadriga den Wagen des Zeus ziehen oder ihm in der Schlacht gegen Typhon zur Seite stehen. Und sie erschienen nicht nur als Pferde, sondern zeugten auch solche. Nach Aelian glaubten die Pferdezüchter, dass Stuten von den Winden trächtig würden. Vergil berichtet, sie würden sich vor allem im Frühling auf hohen Klippen den Winden, dem Boreas insbesondere, entgegenstellen, um plötzlich in rasendem Lauf davonzustürmen, so dass sie auf diese Art vom Wind trächtig würden.
Auch Homers Odysee stellt Aiolos (oder Astraios) als Vater der Winde dar: als es Odysseus an die Insel Aiolia verschlägt, lässt Aiolos den für dessen Heimkehr günstigen Westwind wehen; weil aber die Seeleute den Sack öffnen, in den er die anderen Winde getan hatte, treibt es Odysseus zur Insel zurück.
Der japanische Shintoismus kennt als eine der ältesten Gottheiten den Wind-Gott Fujin. Die Winde, die er seinem Sack entließ, verwehten den Morgennebel und schufen Platz für das Licht der Sonne.
Der aztekische Gott des Windes, Ehecatl, war eine Erscheinungsform des Schöpfergottes Quetzalcoatl. Er setzte durch seinen Atem die Sonne in Bewegung und blies dem Regengott Tlaloc den Weg frei. Er brachte auch die Liebe unter die Menschen, damit das Mädchen Mayahuel, dem er verfallen war, seine Liebe erwidern konnte.
In der Maya-Mythologie war Huracán der Gott des Windes, des Sturms und des Feuers. Er nahm, als eine der Schöpfer-Gottheiten, an allen drei Anläufen teil, aus Lehm, Holz und schließlich Mais die Menschen zu schaffen.
In den großen Weltreligionen gibt es den Himmelsrichtungen zugeordnete Tore der Winde. Sie verfügen über Hüter bzw. Verantwortliche, denen die Winde zugeteilt wurden – wie zum Beispiel die Erzengel des Christentums oder die Lokapalas in der buddhistischen Tradition und des Hinduismus. Sie waren ehemals Hochgötter, die auf den Rang von Wächtern zurückgestuft wurden.
„Ghibli“ in Nordafrika, bei den Berbern „Chamsin“ oder in anderen Regionen auch „Scirocco“ genannt – ist ein heißer Wüstenwind der aus südlichen Richtungen an der Leeseite von Gebirgskämmen herabfällt. In Nordafrika weht an der Warmfront atlantischer Tiefdruckgebiete häufig heiße Wüstenluft aus der Sahara nach Norden, das heißt Richtung Mittelmeerraum. Bei hohen Windstärken reichert sich die Luft mit Sand und Staub aus der Wüste an, so dass sich daraus Sand- und Staubstürme entwickeln können. In Nordafrika kommt es aufgrund der dortigen Gebirgsketten in deren Leebereich zusätzlich noch zu einer föhnigen Erwärmung der Luft auf 40 Grad Celsius und mehr, die für den Ghibli charakteristisch ist.
In der Berber-Kultur gilt der Chamsin als gefährlich – er pflegt 50 Tage nach der Frühlings-Nachtgleiche aufzutreten – die Sonne färbt sich dann blutrot durch die feinen Sandkörner, mit der die Luft angereichert ist und erzeugt eine erstickende Hitze, die in ihrer Stärke durchaus lebensbedrohlich sein kann. Die Winde gelten bei den Berbern als Göttliche Mächte. In Ammonium, der heutigen Oase Siwa, gab es in der Mythologie einen Stein, der dem Südwind heilig war. Berührte man diesen Stein, so erhob sich augenblicklich ein Sandsturm.
Dem Südwind werden außerdem magische Kräfte zugesprochen. In vielen islamischen Erzählungen und Mythen hat der SÜDWIND eine ganz besondere Macht: Er verbindet die Menschen mit der geistigen Welt und den Dschinns. Die Dschinns sind Geistwesen, die aus einem Gemisch aus Feuer und Wind, einer rauchlosen Flamme, geschaffen wurden und die die Dimensionen in Windeseile durchqueren können. Sie sind sowohl Formwandler als auch Ent-täuscher. Der Mensch hingegen wurde aus Lehm geformt.
In einer der Geschichten von Ibrahim al-Koni „Der Magier: Epos der Tuareg“, erklärte ein mächtiger und weiser Dschinn dem Berg-Gott Idenan: „Wisse, dass es weder im Himmel noch auf Erden jemanden gibt, der keine schwache Stelle hat. Was uns angeht, so liegt unsere Schwachstelle beim Menschengeschlecht. Die Menschen sind schlimmer als der Südwind und als die Götter, ja schlimmer als das gewaltige Schicksal… Wir Dschinns tun kein Unrecht und achten den Bund der Götter. Doch die Menschen tun einander Unrecht, achten den Bund nicht und auch nicht die Götter. …. Wenn Du unser Angebot ablehnst, gibt es auch für Dich keinen Schutz vor dem Südwind und seinem Staub – er wird deine ganze (Berg-)Familie zum Aussterben bringen und deine Gattung wird aus der Wüste verschwinden.“ So sagte der Idenan dem Angebot des mächtigen Dschinns zu und bot seine ehrfurchtgebietende Formation dem Dschinn-Stamm als Wohnort an. Diese hüllten fortan die Gipfel in einen Wolkenturban und untersagten dem Südwind sich mit seinem Sand ihrem Wohnort zu nähern.