Wie ist es möglich, dass es unmittelbar vor uns ist und wir es doch nicht sehen können? Erst wenn wir mittendrin sind und die Dunkelheit über uns hereinbricht und unsere Vorstellung von einer lichtvollen Beziehung oder anderen Lebensumständen vor unseren Augen zusammenbricht, dann vermögen wir den Abgrund zu erkennen. Ungläubig, verloren, entsetzt - selbst ein verzerrtes Lachen entschlüpft uns vielleicht sogar - zerreißt der Schleier der Illusion, Maya im Buddhismus genannt, und die Wahrheit zeigt sich erbarmungslos in ihrer ganzen Größe.
Warum gehen wir immer wieder – offenbar sogar zielstrebig – direkt auf diesen Abgrund zu? Es ist fast wie wenn uns etwas magisch hineinzieht. Was ist die Magie, die uns in der Dunkelheit wiederfinden lässt und in der sich das Licht ausbreitet? Die "schwarze Magie"? Ist das der Teufel, Satan, der gefallene Engel – in die irdischen Sphären herabgesunken und ein Sinnbild der Dunkelheit, der damit zum Lichtbringer geworden ist.
Diese Wahrheit die wir hier beleuchten und betrachten können, die Wahrheit der Dunkelheit, die sich dann vor uns enthüllt, in ihrer ganzen Schwere und Schmerzhaftigkeit, die enthüllt uns der Lichtbringer.
Er bringt Licht in das Dunkel. In die Dunkelheit der Verdrängung und Verleugnung. Jeder trägt diesen Anteil der Verleugnung der Realität in sich. Je nachdem wie gravierend die Erfahrungen in der Kindheit waren. Je nachdem wie groß die Anstrengung der Verdrängung sein musste als Kind, wie hart die Realität war, die wir nicht sehen wollten weil sie für unsere Seele nicht ertragbar war in der Abhängigkeit als Kind.
So lange und so oft stolpern wir auf unserem Weg wieder in den gleichen Abgrund, bis wir in der Lage sind, dieser bitteren Wahrheit ins Auge zu sehen und sie als einen Teil unserer und damit der allgemeinen Lebensrealität zu erkennen, sie zu integrieren.
Diese Wahrheit die wir hier beleuchten und betrachten können, die Wahrheit der Dunkelheit, die sich dann vor uns enthüllt, in ihrer ganzen Schwere und Schmerzhaftigkeit, die enthüllt uns der Lichtbringer.
Wenn wir sie sehen, die große Wunde aus unserer Kindheit, die wir bisher verborgen haben vor uns selbst und vor allen anderen, die können wir hier nun heilen, indem wir sie annehmen. Indem wir uns dem Schmerz hingeben, dem Schmerz nie gut genug gewesen zu sein, egal wie sehr wir uns bemüht haben. Nie bedingungslos geliebt worden zu sein. Eine Daseinsberechtigung nur erhalten zu haben indem man einen Zweck erfüllt. Den Zweck zu heilen, zu dienen und den anderen in einem guten Licht erstrahlen zu lassen. Der Schmerz darüber, dass keiner da war, niemand der einen gesehen hat, verstanden oder sich interessiert hat für die Wünsche und Träume eines kleinen Kindes. Niemand, der ermutigt hat den eigenen Weg zu gehen. Aber jemand, der genaue Vorstellungen hatte davon wer und wie man als Kind zu sein hatte. Und wehe, das Kind erfüllte diese Vorstellung nicht...
Wenn wir all das annehmen können als Teil unserer eigenen Lebensrealität, dann können wir uns selbst annehmen und uns lieben so wie wir sind. Dann können wir das Leben mit seiner Wahrheit annehmen und sehen wo die Abgründe lauern. Dann stolpern wir nicht mehr blind erneut in den Abgrund der Verdrängung des Grauens, in dem wir uns dann finden müssen um es zu erkennen.
So wird die Täuschung zur Enttäuschung, die uns in der Wirklichkeit verankert, mit all ihrer Schmerzhaftigkeit und all ihrem Licht. Erst dann können wir wahre Freude und Leichtigkeit im Leben entdecken und genießen und uns hingeben. Dann müssen wir uns nicht mehr einem Teil der Realität verweigern und es ist kein Kampf mehr nötig.
Was nun noch bleibt ist sich zu verzeihen. Zu verzeihen, dass man es verdrängt hat, dass man so lange gebraucht hat zu erkennen, dass es ein langer Weg ist bis wir bereit sind die Dunkelheit zu integrieren und dass wir uns dieses Schicksal selbst gewählt haben. Bis wir bereit sind Eigenverantwortung zu übernehmen für uns selbst und aufhören den anderen die Schuld für unsere Erfahrungen zuzuweisen. Bis wir im Frieden sind, mit uns und der Welt. Und für uns selbst sorgen. Es gut mit uns meinen und liebevoll mit uns umgehen. An uns denken, wie es uns geht und uns den Raum geben, den wir für unser Glück benötigen.
Dann scheint das Licht in die Dunkelheit und die Liebe hat gewonnen. Die Liebe zu uns selbst und zum Leben.