Wütend ist man, wenn man sich ohnmächtig, abhängig und benachteiligt fühlt. Das tritt meistens ein, sobald jemand anders uneingeschränkt gut für sich selbst sorgt und dabei über unsere Bedürfnisse hinweggeht. Allerdings kommt das Gefühl der Wut nur dann auf, wenn wir unser Wohlbefinden in die Hände des Gegenübers gelegt haben. Wenn die Handlungen des anderen unser eigenes Leben bestimmen.
In dem Augenblick, in dem wir erkennen, dass der andere nur das tut, was ihm gut tut - egal ob er die Fähigkeit besitzt, dabei an uns zu denken oder nicht - und wir ganz offensichtlich nicht, können wir diese Situation verändern. Anstatt in die Emotionen der Wut und Beschuldigung zu versinken, können wir bei uns selbst bleiben. Und uns überlegen, was uns zum Wohlfühlen und zu unserer Zufriedenheit fehlt. Sobald wir das erkannt haben, können wir die notwendigen Schritte dazu einleiten, um uns mit dem zu versorgen, was uns fehlt. Gegebenenfalls müssen wir dabei Abstand davon nehmen, uns für unser Gegenüber mitverantwortlich zu fühlen. Genauso wie dieser es nicht für uns getan hat. Wir sorgen einfach gut für uns selbst und nehmen es dem anderen nicht übel, dass dieser es ebenso handhabt. Dann können wir Verständnis aufbringen für unser Gegenüber anstatt Wut.
Wenn letztendlich in der distanzierten Beobachtung die Wahrnehmung entsteht, dass unser Gegenüber ausschließlich und nur zu seinem eigenen Vorteil für sich selbst sorgt, und auch Übervorteilung kein Hindernis ist, erschließen sich neue Erkenntnisse. Wir können sehen, dass sich dieser Mensch so sehr im Mangel und der Angst befindet, dass er selbst seine Handlungsweise gar nicht wahrnehmen kann. Dann bleibt uns als weitere gut-für-uns-selbst-sorgen Maßnahme nur noch übrig zu entscheiden, ob wir uns weiterhin mit dieser Person umgeben wollen. In der Regel bedarf es keiner weiteren Aktivität. Allein durch den Umstand, dass wir bei uns bleiben, wird sich diese Situation ganz von alleine lösen: nur durch unsere Tat, ohne Erklärungen, kann die andere Person selbst sehen, erkennen und lernen. Und sich möglicherweise weiter entwickeln und dabei einen Schritt auf uns zu kommen. Oder aber sie entfernt sich ganz von selbst aus unserem Feld, da so ihre Bedürfnisse nicht mehr von uns befriedigt werden.
Bei uns zu bleiben und gut für uns selbst sorgen, gibt uns die Macht über uns selbst zurück. Die Ohnmächtigkeit verwandelt sich so in Eigenmächtigkeit.